Während der vergangenen Jahrhunderte war Holz ein begehrter Baustoff, aus diesem Grund aber auch Mangelware, da es in der Lüneburger Heide so gut wie keine Wälder mehr gab. Um die Hausgärten vor dem frei gehüteten Vieh zu schützen, benötigte man stabile Zäune. Aufgrund des Holzmangels und des Steinreichtums ging man dazu über, Findlingsmauern aufzusetzen. Solche Mauern in alten Dorf- und Hoflagen gibt es vorwiegend in eiszeitlichen End- und Grundmoränenlandschaften, die reich an Findlingen sind. Die Einfriedungen sind auf der kurhannoverschen Landesaufnahme von 1770/74 historisch belegbar. Findlings-Trockenmauern wurden nicht nur um die Höfe und ihre Gärten als Trennungselemente angelegt, sondern auch um Grünland- und Weideflächen, wie z. B. das Wiesental, das sich bis in die Ortmitte von Wilsede erstreckt.
Die Steine wurden in Trockenbauweise, d.h. ohne Mörtel, bis zu 1 m hoch aufgeschichtet. Zum öffentlichen Weg hin wurden die Steine mit ihren natürlich flachen Seiten oder künstlichen Spaltflächen annähernd senkrecht aufgesetzt, um das ausgetriebene Vieh daran zu hindern, auf das Grundstück und in die Gärten zu laufen. Das Wurzelwerk der anschließenden Bepflanzung verlieh ihnen Stabilität. Bis heute sind sie in Wilsede ortsbildprägende Elemente.
Einige Mauern sind heute nur noch in Relikten vorhanden, viele andere wurden in vergangenen Jahrzehnten aus praktischen Gründen mit Mörtel befestigt oder neu aufgesetzt. In Wilsede hat die VNP Stiftung in Zeitraum April bis Juli 2021 drei historische Trockensteinmauern instandgesetzt.
Von der Mauer am „Schlangengrund“ waren nur noch vereinzelte große Findlinge vorhanden, die den einstigen Mauerverlauf markierten. Sie wurde neu aufgesetzt und „schlängelt“ sich nun wieder entlang der Geländekante. Eine weitere Trockensteinmauer verläuft entlang des Grundstückes des Sass-Hauses und trennt den Garten vom Grünland.
Überraschend verliefen die Arbeiten an einer alten, langen Trockensteinmauer unterhalb des „Hillmershofes“. Während der Sanierungsarbeiten wurden bis zu 40 cm der historischen Mauer freigelegt, die während der letzten Jahrzehnte von Erde und Pflanzenresten verschüttet worden waren. Einige Teilstücke der Mauer waren noch sehr gut erhalten und konnten im Originalzustand belassen werden, während andere Abschnitte bis auf das Fundament zusammengefallen waren und neu aufgesetzt werden mussten.
Insgesamt wurden Trockensteinmauern auf einer Länge von über 400 m saniert. Dafür standen Fördermittel aus der Förderrichtlinie „Landschaftswerte“ in Höhe von rund 246.000,- Euro zur Verfügung. Die Bingo-Umweltstiftung unterstützte das Projekt mit weiteren 25.557,- €.
In Nordostdeutschland gibt es kaum Felsgestein, so dass das saure Gestein der skandinavischen Findlinge besonderen Flechten und auch Moosen wichtigen Lebensraum bietet. Doch auch dieser ist bedroht, sobald die Mauer mit Mörtel befestigt wird, wie es in den letzten Jahrzehnten üblich wurde. Als Biotope sind Trockensteinmauern ein wichtiger Lebensraum für besondere Pflanzengesellschaften und wärmeliebende Tierarten wie Eidechsen, Wildbienen und viele Insektenarten. Mehrfach wurden Schlingnattern bei der Nutzung der Mauern als Quartier beobachtet. Eine aktuelle Erfassung der Moosflora der Mauern durch Frau Dr. Monika Koperski belegt besonders den Wert der Mauern, die nicht durch kalkreichen Mörtel überprägt wurden. Unter anderen wurden hier die im Tiefland stark gefährdeten Arten Hedwigia ciliata und Racomitrium aciculare nachgewiesen.
Das übergeordnete Ziel des Erhalts der Kulturlandschaft Lüneburger Heide erfordert eine regelmäßige Pflege in allen Bereichen. Nicht nur die Heideflächen selbst, auch die historischen Hofstellen mit ihren Gebäuden und Anlagen bedürfen dieser regelmäßigen Pflege, um dauerhaft erhalten werden zu können. Die sanierten Trockensteinmauern bieten einen mehrfachen Nutzen: naturschutzfachlich als Biotope für zahlreiche Insekten- und Reptilienarten, Moosen und Flechten; kulturhistorisch durch die Bewahrung der typischen Hofeinfriedungen aus der Heidebauernzeit, und touristisch durch die Aufwertung des Ortsbildes von Wilsede als Kernort im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide.